Im Märchen, das im Jahr 2054 spielt, zeigt sich die Welt so, wie wir sie uns nicht wünschen. Das Artensterben ist weit zur «Mass Extinction» fortgeschritten; Tausende Arten sind ausgestorben, die Wälder sind tot und die Menschen haben einen Chip implantiert. In einem Archiv wird versucht, immerhin zu dokumentieren, wie es einmal war, welche Tiere es einmal gegeben hat und wie herrlich der Planet Erde aussah. Dass die Dystopie, wie sie gezeigt wird, gar nicht so unwahrscheinlich ist, wird einem beim Durchscrollen des Newsfeeds bewusst: Tuvalus Aussenminister hat zum Klimagipfel verkündet, dass der Inselstaat eine digitale Kopie bewahren möchte, sodass die Menschen die Insel virtuell besuchen können, wenn sie im Meer versunken ist. Mit der radikalen Botschaft will der Inselstaat auf die Problematik des steigenden Meeresspiegels aufmerksam machen. Schon bei der letzten Klimakonferenz ging ein Video um die Welt, welches den Aussenminister im Wasser stehend zeigt. Offenbar kommt die Botschaft nicht an – der Mensch gewöhnt sich an Bilder und an News, seien sie noch so aufwühlend. Erst wenn das Wasser bis zum Hals steht, reagiert der Mensch. Genau damit spielt auch der Film «Everything will change». Drei junge Menschen schneiden aus dem Filmmaterial, das sie im Archiv finden, eine Botschaft zusammen, um auf das Massenaussterben aufmerksam zu machen. Ihnen gelingt es, den Film Millionen von Zuschauer*innen einer Fernsehshow zu zeigen. Doch die Zuschauer*innen steigen innert Minuten aus dem Programm aus – bis keiner mehr übrig ist, der längst verschwundene Giraffen, Korallen und Vögel sehen möchte. Die drei fragen sich, ob sich die Menschen in den 2020er-Jahren den Film angesehen hätten, ob die Botschaft damals die Menschen noch berührt hätte?
Im Märchen gelingt, was im realen Leben nicht möglich ist. Die drei schaffen es, ihre Botschaft in den 2020er-Jahren zu streuen und den Menschen zu zeigen, dass alle Berechnungen zum Artensterben und Klimawandel eintreten, wenn die Menschheit nicht sofort fundamental etwas ändert. Und so erzählt der Film zum Schluss ein Märchen, das Realität wird. Die Menschen der 2020er-Jahre hören sich die Botschaft an, verändern ihr Verhalten, setzen Klimaziele um und gehen fürs Klima und den Artenschutz auf die Strasse. Sie lassen sich noch berühren, es macht noch etwas mit ihnen. «Ich wünschte, ich wäre damals Teil davon gewesen», dieser Kommentar eines Menschen aus der Zukunft macht Hoffnung, welche sich im Kinosaal ausbreitet. Tosender Applaus bricht unter den Zuschauer*innen aus. Die Jugendlichen, die nächste Generation, lassen sich noch berühren. Man wünschte sich, das Leben wäre ein Märchen und es wäre möglich, dass die Menschen der Zukunft, die sich fragen werden, «Wieso habt ihr nichts getan?» dabei gewesen wären. Man möchte gerne, dass die Menschen der Zukunft wissen, dass wir nicht untätig waren, auch wenn es bestimmt Vorwürfe an unsere Generation geben wird. Die Menschen der Zukunft werden sich fragen, wieso habt ihr nicht reagiert, obwohl ihr vom Klimawandel wusstet, obwohl euch das Artensterben bewusst war, obwohl sich euch die Bilder verbrennender Koalas, hungernder Eisbären und weisser, abgestorbener Korallen eingebrannt haben?
«Frau Schwarz, was machen Sie, um die Welt zu retten», fragte mich ein Junge auf dem Weg zurück zur Schule nach dem Kino. Ich erklärte, dass ich nicht mehr fliege, bewusst konsumiere und Lehrerin geworden bin, um mit Jugendlichen über das Leben nachzudenken. Da Kinder und Jugendliche die Zukunft sind, habe ich die Hoffnung, dass sie etwas verändern werden. Und die Hoffnung ist nicht unbegründet. Sie wollen etwas verändern. Ein Junge fragte letzte Woche, ob er zwei Jahre freibekommen dürfte, um die Welt zu retten, er und sein Freund hätten einen Plan, um die Eisbären umzusiedeln. Als sie den Plan schildern und dieser zu gross scheint, als wäre er je umsetzbar, sagt ein Freund, der daneben sitzt: Da findet ihr aber keinen Investor. Dass Kinder schon zu dieser Einsicht kommen, ist faszinierend. Und gleichzeitig wünschte man sich, dass sie noch an Träume und Märchen glauben. Dass sich alles noch verändert.