Es war einmal…

Es war einmal…

Ihr Hintergrund als Malerin und Modellbauerin hilft ihr beim Theater: Beim Dramatischen Verein Töss gestaltet Franziska Ryffel gerade zum 16. Mal das Bühnenbild für das Tössemer Märli. Daneben schauspielert die Winterthurerin selbst, ist Malerin im Familienbetrieb und Pferdeliebhaberin.

Es war einmal ein Schneider, ein armer Müller, eine gelangweilte Prinzessin. Ob Tischlein deck dich, Rumpelstilzchen oder der Froschkönig – Franziska Ryffels Arbeit dreht sich um Märchen. Aber auch Räuber Hotzenplotz, die Schneekönigin und «S’Dschungelbuech» wurden vom Dramatischen Verein Töss schon inszeniert. Hier ist die 50-jährige Winterthurerin seit über 35 Jahren Mitglied. Sie ist Laienschauspielerin und gestaltet gerade mit ihrem Team ihr 16. Bühnenbild. «Jedes Strassentheater würde sagen, man braucht nur einen Stuhl, um zu spielen», sagt Franziska. Doch sie investiert jedes Jahr über 100 Stunden in die Gestaltung der Theaterkulisse – komplett ehrenamtlich. Sie malt üppige Blumenwiesen auf neun Meter lange Vorhänge, lodernde Flammen auf Holzkulissen und bastelt auch mal Tiermasken oder aufwendige Requisiten wie ein magisches «Tischlein deck dich».

«Bühnenbilder entstehen aus der eigenen Fantasie», sagt die Theaterliebhaberin. Es gehe darum, eine Atmosphäre zu übermitteln und das Publikum in Bann zu ziehen. So auch beim nächsten Stück, welches das Amateurtheater ab Oktober aufführt. Sieben verschiedene Bühnenbilder kommen für «S’chli Gschpängscht» zum Einsatz. Besonders ein Bild liegt der Gestalterin dabei am Herzen: In der Nacht sitzt «S’chli Gschpängscht» mit seinem besten Freund und treuen Ratgeber, dem Uhu Schuhu, auf einem knorrigen Baum unter dem Sternenhimmel und erzählt ihm von seinem grossen Traum, einmal als Tages-Gespenst das Sonnenlicht zu sehen. Diese besondere Freundschaft und mystische Stimmung sollen mit minimalistischer Ausstattung vermittelt werden, sagt Franziska. Dabei spielt das Bühnenbild eine zentrale Rolle. Wenn dieses fertig ist, wird die Gestalterin an den Aufführungen auch selbst auf der Bühne stehen – als schwarzes Tages-Gespenst. Denn das Theaterspielen stehe noch immer im Vordergrund: «Ich gestalte das Bühnenbild, damit ich und wir spielen können.»

 Gebastelt und «theäterlet» hat Franziska als Kind schon gerne. Beruflich aber schlug sie zuerst eine andere Richtung ein. Erst lernte sie Modellbauerin, fertigte dreidimensionale und massstabgetreue Modelle von Gebäuden an und mit 27 absolvierte sie die Maler*innenlehre. «Ich hatte Lust auf einen Neustart.» Dass die Arbeit beim Theater etwas für sie sein könnte, merkte sie bei einem Temporärjob im Kulissenbau und in der Requisite beim Sommertheater und im Theater Kanton Zürich. Später konnte sie beim Dramatischen Verein Töss auch von ihren Kenntnissen im Modellbau profitieren: Sie baute die Bühne im Kleinformat nach, als anschauliches Hilfsmittel für den Verein und die Techniker*innen. Mittlerweile wird dieses Modell nach jahrelanger Erfahrung nicht mehr benötigt, die Massstäbe sind allen klar. Von «tiny tiny houses» zu Zehn-Meter-Leinwänden: «Es gefällt mir, grösser und farbiger zu arbeiten.» Neben ihrem ehrenamtlichen Engagement arbeitet Franziska als Malerin im familiären Malerbetrieb. Geschäftsinhaber ist Ehemann Stephan Ryffel: «Wir sind ein Vereins-Pärli. Er ist sogar schon länger beim Theater als ich.» Das Paar wohnt mit den zwei gemeinsamen Kindern in Oberwinterthur. Die 16-jährige Tochter hatte auch schon den ein oder anderen Auftritt auf der Theaterbühne. Aufgewachsen ist Franziska im Quartier Rosenberg, dann ging es vorübergehend weiter nach Hegi. «Ich bin nie aus Winti rausgekommen», sagt die 50-Jährige. Als sich die Pferdeliebhaberin eine Haflingerstute kaufte, war sie noch mehr an den Ort gebunden. «Verein und Pferd – das war’s. Irgendwann kamen dann noch Mann und Familie dazu und dann ist das Leben ausgefüllt und man bleibt.»

 Auch der Dramatische Verein Töss bleibt Winterthur erhalten – und das schon seit 125 Jahren als ältester Amateurverein der Stadt. Dieses Jahr darf das Theater aufgrund des Jubiläums auf die Förderung vom Kulturkomitee der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) zählen. Mit diesen Geldern wurde unter anderem ein Wochenendkurs bei einer Theaterpädagogin organisiert, wo sich der Verein vor allem in der Improvisation übte. Mehr Unterstützung würde er sich bei der Suche nach einem zusätzlichen Aufführungsort wünschen. Der Dramatische Verein Töss probt seit über 50 Jahren im Zentrum Töss. Das sei Tradition, es «heimelet», und Bühnen- und Saalgrösse seien für die meisten Aufführungen ideal. Und doch kommt immer wieder die Lust auf einen Tapetenwechsel auf. Beispielsweise wäre für die Aufführungen der Erwachsenenstücke zweimal pro Jahr ein kleinerer Saal ideal. Doch die Preise anderer Eventsäle seien für den Amateurverein nicht tragbar. Wo einst das Zentrum Römertor in Oberwinterthur einen geeigneten Saal hatte, steht heute ein Aldi. «Schade, dass sowas verloren geht», meint Franziska dazu.

 Doch wenn es dann so weit ist und der Vorhang aufgeht, sind die Sorgen um Räumlichkeiten vergessen und die Plätze im Saal schnell belegt. Die Märli-Aufführungen haben für viele Besucher*innen Tradition: «Zu uns kommen vor allem Familien und nostalgische Fans, die schon jahrelang im Publikum sitzen.» Ein generationenübergreifendes Publikum also. «Bei unseren Märchen haben wir eigentlich keine Konkurrenz», sagt Franziska. Da gebe es zwar das renommierte Casinotheater, das auch mal ein Märli zeige, doch deren Tickets seien in einem anderen Preissegment. «Wir wollen günstiges Familientheater machen.» Dafür werde es den Zuschauer*innen auch nicht übelgenommen, wenn sie den Saal inmitten der Aufführung kurz verlassen, wenn ein Kind «mal Schiss bekommt». Die Idee dahinter: einfach mal reinschnuppern zu können, ohne viel Geld in die Hand nehmen zu müssen.

 Bis zur Premiere vom «S’chli Gschpängscht» wird die Bühnenbild-Gestalterin noch einiges zu tun haben: Zusammen mit ihren Vereinskolleg*innen baut und streicht Franziska Bühnenteile und bemalt die Vorhänge. Am 29. Oktober spukt «S’chli Gschpängscht» dann zum ersten Mal im Saal des Hotel Töss über die Bühne, sitzt mit dem treuen Uhu Schuhu unter dem Sternenhimmel – und wenn es nicht gestorben ist, träumt es noch immer davon, ein Tages-Gespenst zu sein.

Maria Keller ist Autorin beim Coucou und las als Kind besonders gerne «Ronja Räubertochter».

Laura Rubli ist selbstständige Fotografin aus Schaffhausen.

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