Der Mechanikermeister

Der Mechanikermeister

Robert Notz setzt sich beim Verein Dampfzentrum Winterthur dafür ein, dass das Wissen über Dampfmaschinen nicht vergessen geht. Dazu führt er Interessierte seit zehn Jahren durch die Ausstellung des Dampfzentrums am Lagerplatz, schraubt mit seinen Kolleg*innen an Maschinen und kämpft ständig um Sponsor*innen.

«Ich bin nicht unbedingt ein Dampfmaschinen-Fan», sagt Robert Notz, der an einem runden Pausentisch im Dampfzentrum Winterthur sitzt. Er nimmt einen Schluck von seinem Kaffee. «Aber ich bin Fan der Mechanik dahinter.» Er zeigt auf eine der rund 50 Dampfmaschinen in der alten Sulzerhalle. Hier hält sich der Präsident des Vereins Dampfzentrum Winterthur mindestens einmal pro Woche auf. Wie die Einzelteile der Maschinen verbunden sind und weshalb sie zusammen funktionieren, fasziniert den pensionierten Mechanikermeister schon seit er 1962 die Lehre als Maschinenschlosser bei der Sulzer in Winterthur angefangen hat. Dort blieb er 20 Jahre und schraubte dabei nicht nur an Maschinen, sondern brachte sie als Monteur direkt zu den Kund*innen und zeigte ihnen, wie sie funktionieren.

Auch heute noch bringt er Mensch und Maschine zusammen. Seit 2012 erklärt der Mechanikermeister dem Publikum im Dampfzentrum die Geschichte und den Aufbau der Dampfmaschinen, zwischen denen er nun sitzt. Er erzählt von Maschinen, die in Winterthur produziert und in die ganze Welt verschickt wurden. Darunter gibt es Exemplare, die zwei Weltkriege überdauert haben. Eine Sulzer-Maschine beispielsweise wurde 1889 an der Weltausstellung in Paris, für die auch der Eiffelturm gebaut wurde, präsentiert. Zudem bildeten ähnliche englische Maschinen in grösserer Ausführung den Antrieb der Titanic.

So zeigt Robert Notz den Besucher*innen, wie wichtig die Industriegeschichte ist. «Winterthur war mal für mehr bekannt als für Kunst und Kultur, es war eine Industriestadt.» Nicht nur der Wohlstand der Stadt, auch derjenige der gesamten Schweiz basiere auf der industriellen Revolution, die durch die Dampfmaschine ausgelöst wurde. «Wir waren alle einmal Bauern, das vergisst man manchmal.»

Die Reaktionen auf die Führungen seien stets positiv. «Manche flippen schier aus, wenn sie die alte Sulzerhalle das erste Mal betreten und die vielen Dampfmaschinen sehen.» Robert Notz macht das Erzählen Spass und er liebt es, sich mit dem Publikum auszutauschen. Nur seine vier Enkelkinder konnte er bis jetzt noch nicht für Mechanik begeistern. «Wenn sie auf das Sulzerareal kommen, dann höchstens bis zum Skills Park.» Den Mechanikermeister stört das aber nicht. Es gibt andere Dinge, die ihn mit seinen Enkelkindern verbinden. Zum Beispiel das Interesse für Fussball. Notz spielte früher beim FC Oberwinterthur, sein Enkel heute in Schaffhausen. Notz’ Augen funkeln beim Erzählen.

Im Hintergrund schweisst gerade eine*r seiner Kolleg*innen an einem Maschinengestell. Das Ziel ist es, dass alle Maschinen wirklich funktionieren und vorgeführt werden können. Erst so werden sie für das Publikum erlebbar. «Es bringt ja nichts, einfach ein schönes Stück Eisen auszustellen», sagt Notz. Theoretisch wäre auch die Dampfwalze, die sich in der Mitte der Halle befindet, einsatzbereit. Jedoch wird sie nicht mehr «ausgeführt», seit sie vor ein paar Jahren während einer Testfahrt auf dem Sulzerareal an einem geparkten Auto einen Blechschaden verursachte. Der Bremsweg sei zu lang gewesen. Es sind solche Erlebnisse, die den Mitgliedern des Dampfvereins in Erinnerung bleiben.

Einige von ihnen treffen sich jeden Mittwoch im Dampfzentrum, um an den Maschinen zu arbeiten. Das ist auch der Grund, wieso der Vereinspräsident sich so gerne engagiert. Die Stimmung ist gut, alle machen gemeinsam Pause und essen Gipfeli. Auch sind es diese Tage, die Notz den Biss geben, in schwierigeren Zeiten weiterzumachen. Er schraubt nicht nur an Maschinen, macht Führungen und organisiert Events, sondern kümmert sich auch darum, genügend Sponsor*innen für das Dampfzentrum zu finden. Dies gestalte sich nicht einfach, weil der Verein komplett auf private Spenden und Mitgliederbeiträge angewiesen sei. «Die Stadt anerkennt die Sammlung zwar als ‹schützenswert›, will uns aber nicht finanziell unterstützen.» Notz nimmt einen Bissen von seinem Gipfeli. «Es ist schon ziemlich mühsam, die ganze Zeit zu kämpfen.» Immerhin könne er auf die Vereinsmitglieder zählen, die regelmässig Beiträge einzahlen und beispielsweise beim jährlich veranstalteten Dampffest mithelfen.

Seinen Ausgleich findet Robert Notz im eigenen Garten zuhause in Flurlingen. Er verbringt gerne Zeit in der Natur, abseits der Dampfmaschinen. Doch auch in seiner privaten Geschichte spielt die Mechanik eine Rolle. Als Monteur im Aussendienst war er eine Zeit lang im Nahen Osten unterwegs. Spontan entschied er sich damals, einen Freund in Karatschi zu besuchen. Dort lernte er dann seine Frau kennen. «Das muss Schicksal gewesen sein.» Und Schicksal muss es auch gewesen sein, dass ein Freund ihn vor rund zehn Jahren auf das Dampfzentrum aufmerksam machte und ihm vorschlug, dem 2011 gegründeten Verein beizutreten. Schliesslich stehen hier die Maschinen, mit denen er schon als junger Monteur gearbeitet hat. Es ist jede Woche ein wenig wie ein Heimkommen. Für Notz ist es immer eine Freude, seine guten Freund*innen – Menschen und Maschinen – wieder zu treffen. «Und ich glaube, meine Frau freut sich auch, wenn ich mal weg bin», sagt er und lacht. 

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