Das sind meine Beine
Das sind meine erwachsenen Beine
Sie tragen mich schon seit 60 Jahren durch die Welt, durch meine kleine Welt
Das sind die Füsse das sind die Waden das ist mein Becken das Gefäss in dem ich drei Kinder trug
Einmal sind die Kinder erwachsen
Einmal ziehen die Kinder aus und du kannst in deinem Leben weitergehen mit deinen Füssen mit deinen Beinen dem Rücken (einen kleinen Buckel trag ich mit)
Einmal ist dein Kopf am Bersten
Einmal ist dein Nacken verspannt
Und bist zum Chiropraktiker gerannt
Älter werden
Ich weiss nicht wie das geht, doch
es geht es geht es geht es geht es geht, geht es mir gut dabei
Ich brauche ein Medikament gegen Bluthochdruck, das brauchte ich früher nicht oder habe es nicht bemerkt
Ich brauche zum Einschlafen viel Trost und ein Gebet
Das Altwerden ist keine Kunst es passiert einfach die Kunst besteht darin den Körper zu achten und zu pflegen auch wenn er SPUREN zeigt Falten und Flecken die Kunst besteht darin das Potential zu sehen es verstärkt sich durch alles was ich schon gedacht und erfahren die Kunst besteht darin auch nach 60 Jahren an sich zu glauben und an die menschliche Entwicklung
…
Stand 8. März 2022, 23:55
Liebe Jennifer, liebe Lesende, dem Wort Zugeneigte,
an diesem Text schreibe ich seit längerer Zeit. Er verändert sich ständig und wenn er gedruckt ist, wird er ein Gebilde sein, schwarz auf weiss, doch auch unvollständig. Unvollkommen. Voller Widersprüche vielleicht. Denn, da hast du recht, es gilt, diese auszuloten, auszuhalten. Jetzt ist Frühling. Jetzt ist Krieg, nicht nur in der Ukraine.
Den Text habe ich vor dem Einmarsch im Februar begonnen. Ich wollte zum Älter- und Altwerden schreiben; zum Tod; zum Rufen. Ein Nachruf wird verlesen, wenn man tot ist. Viele Menschen sterben in diesen Tagen. Wer wird ihnen nachrufen? Alles wollte auf einer Seite Platz nehmen. Gedrängt stehen die Zeichen da, sie wollen sich gegenseitig stützen.
Mein eigener Tod hat nicht mehr dieselbe Bedeutung wie noch vor wenigen Wochen. Obwohl ich gerne lebe, ist er viel näher gerückt. So auch die Poesie. Sie bleibt meine Welt, ich nehme sie mit in eine nächste; wo immer ich leben/sterben werde.
Mit den Schlusszeilen eines Gedichtes von mir, Ende Januar 2022 geschrieben, beende ich diesen vorläufigen Text. Das Wort möge sich in Freiheit weiterentwickeln.
…
Der Mann stolperte vor sich hin
in den hinteren Reihen des berühmten
Friedhofs. Er war Gärtner von Beruf
doch frisch entlassen, was er noch
zu verdauen hatte. Ich hole nun die
Post aus dem Briefkasten.
Eine Karte aus
Kiew.
Ruth Loosli braucht die Poesie wie die Luft zum Atmen.
Florian Ganz ist Traumoperator und wäre gerne mit der Pflanzenwelt vertraut.
In der Rubrik «Durcheinander» widmen sich Autor*innen poetographistischen Gedanken. Sie verfassen Texte, in dem sie ein Eydu (oder mehrere) entfalten und durch-einander in Bezug setzen. Wer gerne mitmachen möchte, melde sich unter redaktion@coucoumagazin.ch.
Der Text und das Bild beziehen sich auf folgende Eydus: «Friedhof Rosenberg // Gleichmütig modert / Der ausgediente Holzmann / Hinter den Gräbern» von Monique Karrer und «Friedhof Seen // Spitzer Thuja-Baum / Du hast den Mond aufgespiesst / Die Toten sind stumm» von Kitty Badrun.