Im ersten Teil zeigt sich Emckes Arbeit als Kriegsreporterin: Ihre Auseinandersetzung mit Gewalt ist gekennzeichnet von der unaufhörlichen Suche nach der Wahrheit, um immer neue Schichten freizulegen. Dabei hat Emcke nicht nur den Anspruch, denjenigen eine Stimme zu geben, denen Gewalt angetan wurde, sondern immer auch die Position der erzählenden Person mitzureflektieren und zu zeigen, wie die Erzählung entstanden ist.
In der zweiten Vorlesung geht Emcke auf faktuales Erzählen über die Klimakrise ein. Hier legt sie Wert darauf, die Klimakrise als etwas Gewordenes darzustellen, und so einen Blick auf ihre Entstehung zu werfen. Genauso wichtig ist es ihr aber auch, nach vorne zu schauen auf das, was noch nicht ist, was vermeidbar sein könnte. So zeigt Carolin Emcke, dass faktuales Erzählen weit mehr ist, als Fakten wiederzugeben. Der Autorin bei diesen avancierten Perspektivierungen nachzuspüren, macht den Reiz dieser Poetikvorlesung aus.
«Was wahr ist» umfasst 124 Seiten und wiegt 217 Gramm.
Claudio Notz ist Co-Präsident der Literarischen Vereinigung Winterthur.