Die bildhaften Beschreibungen lassen die eiskalte finnische Landschaft poetisch dahinschmelzen und zeigen, intim und unaufdringlich, wie sich emotionale Schutzhüllen gleichermassen wie die Schneeschichten auflösen. Am 11. Februar – die Reise ist, wie es sich gehört, datiert niedergeschrieben – beginnt es zu schneien. Während die Flocken langsam auf Aavas Mantelstoff fallen, beginnt auch die Sprache langsam zu «lumi»– Schnee – zu werden, sich aus ihrer festgeschriebenen von links nach rechts laufenden Form zu lösen und sanft mit schwarzen Buchstaben den weissen Seiten entlang herunterzuschneien. «Sie flogen nachts» beschreibt die Suche nach den eigenen «juuri» – Wurzeln – klangvoll, bricht die Grenzen zwischen «luonto» – Natur – und «ihminen» – Mensch – auf und lässt keinen «kivi» – Stein – leblos und nebensächlich ruhen, sondern dreht ihn um und erzählt seine Geschichte.
Wer den Roman zu Ende gelesen hat, wird vielleicht erleben, dass Mirja Lanz nicht nur am 11. Februar die «kieli» – Sprache – ihr eigenes, kindliches Spiel spielen lässt, sondern dass die Sprache von da an auch an vielen Folgetagen von der finnischen Natur durchdrungen wird.
«Sie flogen nachts» umfasst 201 Seiten und wiegt 125 Gramm.
Alessandra Willi ist Redaktorin bei Radio Stadtfilter und war (bis jetzt!) noch nie in Finnland, wahrscheinlich weil sie die Kälte bizzli fürchtet, könnte sich aber vorstellen, 3 Mal pro Tag zu saunieren.