Albanien war bis 1990 ein streng abgeschotteter und diktatorisch geführter Staat und öffnete sich dem politischen Pluralismus des Westens und der freien Marktwirtschaft nur zögerlich.
Ypi beschreibt, ohne nostalgisch zu werden, wie trotz all des Terrors und der latenten Gefahr, als Verräter*in angeschwärzt zu werden, auch ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit und einer verbindenden Solidarität unter den Genoss*innen herrschte. Dabei versucht Ypi nicht, ihre Beobachtungen und Erinnerungen künstlich zu beschönigen, sondern gesteht ihnen einen gewissen naiven Charakter zu.
Die durch die Öffnung des Staates gewonnene Freiheit wird rasch von neuen politischen Unruhen und Konfliktenüberschattet. Die Verbote des Sozialismus werden zu den Verlockungen des Kapitalismus und diese zu den unerfüllten Versprechen für eine bessere und freiere Zukunft.
Dieses Buch ist ein gelungener Versuch, die Geschichte eines solch gravierenden und epochalen Umbruchs aus der Perspektive eines Kindes und dessen Familie zu erzählen. Dabei schreibt Ypi nicht aufklärerisch oder belehrend, sondern erlaubt uns, an ihren Erkenntnissen über die Natur des Menschen teilzuhaben.
«Frei» umfasst 333 Seiten und wiegt 307 Gramm.
Sandro Berteletti ist freischaffender Kulturmanager in Zürich.