Jedes Volk sei als ein einziges Tier, als ein Organismus zu betrachten. Hierbei setzte er die Arbeitsbienen mit dem Gesamtkörper der Wirbeltiere gleich: Die Königin entsprach in seiner Sichtweise den weiblichen Geschlechtsorganen, die Drohnen den männlichen.
1923 war es Rudolf Steiner, der diese Sichtweise im Rahmen seiner «Arbeitervorträge» am Goetheanum weiterführte. Die Königin sei das «Organ der inneren Einheit», die Eiweisszelle. Die Arbeitsbienen bildeten die Blutzellen, die Drohnen die Nervenzellen, und das Wabenwerk, in dem sie alle hausen, sei als Skelett des Biens zu betrachten – wodurch das Schwärmen, das Zurücklassen der Waben aus Gründen der Fortpflanzung, als «Beinahetod» des Biens zu verstehen sei.
In der Imkersprache wird der Begriff heute noch verwendet, um die Gesamtheit eines Bienenvolkes zu bezeichnen. Im Gegensatz zu Hummeln, Wespen und anderen staatenbildenden Insekten, bestehen die Bienen das ganze Jahr über als Volk, wenn auch zwischen Winter- und Sommerbienen unterschieden wird. Die Lebenserwartung der Winterbienen beträgt ungefähr sechs Monate, die ihrer Schwestern im Sommer lediglich vier bis sechs Wochen. Abgesehen von der Königin, welche ungefähr drei bis fünf Jahre lang lebt, gibt es innerhalb des Bienenvolkes eine konstante Erneuerung der Biomasse. Die Basis verändert sich ständig, und trotzdem bleibt das Bienenvolk erhalten und der ganze Stock funktioniert genau gleich weiter – wie bei uns in der Familientradition: Etwas bleibt, losgelöst von den Einzelnen.
Erklärt von Roland Gander, Imker
Aufgezeichnet von Aleks Sekanić, Autorin und Redaktorin beim Coucou