Gedruckt wurde das Bild in der Ausgabe §100 Oktober 21.
Der grosse und kleine Bär heissen im Griechischen Arktos und Arkas. Teil letzterer Konstellation ist auch der Polarstern, der stets nordwärts weist, über der Arktis schwebt, dem Land der Eisbären, die die Schweizer Band Grauzone 1980 besang: «Ich möchte ein Eisbär sein im kalten Polar, dann müsste ich nicht mehr schrein, alles wär so klar». Eisbär-Werden. Sich einen Pelz wachsen lassen gegen die Kälte. 1980 war das die soziale Kälte, der Raureif des Kalten Kriegs, frostiger Narrative – «There is no such thing as society». Ein St. Galler Communiqué schrieb damals: «Isolation, Kaputtsanierung unseres Lebensraumes, allgegenwärtiger Konsumzwang. Für Autobahnen, Parkgaragen und sonstige profitträchtige Unternehmungen wird alles getan, während elementare Lebensbedingungen bewusst zerstört werden.» Auch der Regisseurs Peter Krieg dokumentierte in «Das Packeis-Syndrom» (1982) die Züricher Bahnhofsstrasse, indem er Leute fragte, ob das Packeis-Syndrom sie gepackt hätte – die «Vergletscherung der Gesellschaft» (Michael Haneke)? Und Reto Hännys «Zürich, anfangs November» (1981) hält verschiedene Plakatslogans der 80er-Jugendunruhen fest. Anja Nora Schulthess schrieb 2020 über die im Buch enthaltene Tirade «Freiheit für Grönland – schmelzt das Packeis» und die Untergrundzeitschrift «Eisbrecher»: Das Packeis ist eine Metapher «für den Staat, das starre, zubetonierte, kalte Zürich mit seinen Banken und Bürokomplexen und das bürgerliche, enge, unlustvolle Leben überhaupt». «Das Packeis schmilzt», der Satz drückte Hoffnung aus. Heute? 2019 schmolzen 660 Milliarden Tonnen Eis in Grönland. Eisbär-Werden ist Teil des «Klimastreiks». In ihren Filmen treten Menschen in Eisbärkostümen auf. «Das Packeis schmilzt»: Slogan der Hoffnungslosigkeit.
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