Bild auf Bild §52

Die Aufgabe der Künstler*innen ist es, auf das jeweils vorhergehendeBild mit einem eigenen Bild zu reagieren. Das 51. Bild stammt von Anthony Brooks. Gedruckt wurde das Bild in der Ausgabe §98 August 21.

Auf einmal warst du da, fingst an zu spriessen, ein kleines, grünes Blatt. Du schienst so verletzlich, ich erkannte mich in dir: Du und ich, wir gehören zusammen. Also nahm ich dich auf, liess dich herein, hiess dich willkommen; deine Wurzeln wuchsen, dünne Finger tastend, erkundend, in mein Inneres wuchtig grabend, ihre Nägelvoller Blut, das Gefundene ergriffen, die feuchte Masse meiner Eingeweide. Die Luft blieb aus, das Herz wurde eng, der Magen verkrampft, zu einem Knäuel geformt, schlug Bahnen um Bahnen, doch das macht mir nichts aus, denn du warst bei mir. Du, du würdest –du durftest nicht gehen. So hielt auch ich dich fest, hielt dich im Schatten, eng bei mir, brauchtest keine Sonne, brauchtest nur mich, so wie ich dich. Das zwischen uns, wer sonst würde verstehen? Manchmal bemerkte dich jemand; hastig stülpte ich dich nach innen, wie die Tasche einer Hose, die versehentlich herausgezogen, weile twas gesucht, aber nicht gefunden wurde. Das zwischen uns, wer sonst würde verstehen? Das, was wir teilen, wie wir miteinander gross wurden; du bist meine Erinnerung von früher, mein Traum von gestern Nacht. Du und ich, so musste es wohl sein. Doch bald wurdest du schwer – ich kann dich nicht tragen, kann dich nicht halten. Wie gerne würde ich dich loslassen, einfach gehenlassen. Doch du sitzt tief, klammerst noch immer, deine dünnen Finger greifen nach Lunge, Herz und Magen. Und der Magen schlägt Bahnen, Achterbahnen im Bauch. Das geht so nicht, ich kann so nicht. Aus einmal wurde immer, du ein grosser, roter Baum, spendest mir Schatten, an sonnigen Tagen.