Auf ein Filmgespräch

mit Milva Stutz

Milva, wir haben das Drehbuch deines Kurzfilms «Delay» in dieser Ausgabe abgedruckt (S. 16). Wie ist die Idee zum Film entstanden?

MW: In der Zeit als «Delay» entstand, habe ich mich sehr mit unserer Wahrnehmung von Zeit beschäftigt. Ich habe darüber nachgedacht, wann Zeit eine normierende Kraft wird. Und zwar unter anderem in Bezug auf individuelle Biografien – also mit 30 Jahren muss ich das, mit 40 dies erreicht haben –, aber auch in romantischen Beziehungen. Und ich habe eine ähnliche Situation tatsächlich auch mal als Zuschauerin erlebt: Der Zug ist nicht losgefahren und der Abschied, der eigentlich im “Skript” stehen würde, konnte nicht stattfinden. Eine unangenehme Situation, weil sie nicht so abläuft, wie sie sollte. Das hat mich fasziniert. Und ich wollte diese vielen Skripts, die in unseren Köpfen gerade in romantischen Beziehungen ablaufen, hinterfragen. 


Obwohl im Film immer zwei Menschen zu sehen sind, kommt es sehr selten zum Dialog. Es wirkt, als ob die beiden Protagonist*innen aneinander vorbei reden. Warum?

MS: Ich habe mir vorgestellt, dass das Audio aus Gesprächfetzen besteht, die aus der Zeit gefallen sind, also entweder in der Vergangenheit stattfanden oder in der Zukunft noch stattfinden werden. Die beiden Protagonist*innen sind sehr unbeholfen, was auch an den übergrossen Fingern und Nasen ersichtlich wird. Sie versuchen eine gemeinsame Sprache zu finden, verfallen aber in Sprachschablonen, Sätze, die wie aus eine Skript wirken, Wortreihen die es schon gibt und die sie wiederholen. Das wirkt wie ausgestanzt. Und trotzdem versuchen sie es immer wieder. Sie bleiben dran. Sie könnten ja auch einfach weglaufen, aber das machen sie nicht.


Du stellst momentan gerade im Kunsthaus Langenthal aus, auch mit deinen Zeichnungen. Auch da geht es um zwischenmenschliche Beziehungen, Befangenheit, Unsicherheit sowie Liebe und Intimität. Wie entscheidest du, welche Idee du mit welchem Medium umsetzt?

MS: Ich habe ursprünglich mal Illustration studiert und dann einen Master in Fine Arts gemacht. Ich arbeite viel mit Erzählungen und habe bereits viele Comics umgesetzt. Heisst, ob zeichnerisch oder mit bewegtem Bild, es geht mir immer darum, eine Geschichte zu erzählen. Oft arbeite ich parallel an Zeichnungen und Filmen. Denn der Prozess ist sehr unterschiedlich: An einem Film arbeite ich etwa bis zu zwei Jahre lang, eine Zeichnung kann in einem Tag entstehen. Zeichnen ist zudem ein sehr viel einsamerer Prozess. Ich bin alleine im Atelier und bestimme alles selber. Ein Film hingegen ist eine Zusammenarbeit und das Ergebnis wird von vielen Menschen mitgeprägt. 

MILVA STUTZ ist bildende Künstlerin und Filmemacherin. Sie ist fasziniert von der Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen: die Intimität, das Unbehagen, die Körperlichkeit und Emotionalität in einer von Unsicherheit geprägten Zeit.