Ein Zahnbürsteli als Begegnungsort

Ein Zahnbürsteli als Begegnungsort

Zahnbürsteli, Tisch und Bank oder Holidi-Ersatz: Die Skulptur in der Grabenallee besitzt mehrere Namen.

Der offizielle jedoch ist «Plaza», was auf Spanisch so viel wie «öffentlicher Platz» bedeutet. Dies entspricht dem Zweck des Kunstwerks, denn laut dem Winterthurer Künstler Andreas Fritischi soll es als Begegnungsort und Sitzgelegenheit fungieren. Zu Beginn wurde das Werk jedoch von den Holidi-Retter*innen überschattet: Beim Zahnbürsteli handelt es sich nämlich um den Nachfolger des geliebten elf Meter langen Holzmannes – aka Holidi –, der zuvor fast 30 Jahre lang im Graben seinen Platz hatte und nach einer gescheiterten Initiative im Jahr 2015 entfernt wurde.

Neuerungen bringen meist Trubel mit sich. Auch Holidi sorgte zuerst für negative Schlagzeilen und fand erst mit der Zeit Akzeptanz. Ähnlich scheint es dem Zahnbürsteli zu ergehen. Doch wie Holidi ist auch diese Skulptur vergänglich: Sie besteht aus Lärchenholz und wird Schätzungen zufolge zwanzig Jahre lang stehen bleiben. Danach droht dem Zahnbürsteli dasselbe vergängliche Schicksal wie Holidi – und vielleicht auch ähnliche Verabschiedungsumstände. Denn der eigene Name, den die Winterthurer*innen der hölzernen Skulptur gaben, zeugt von einer gewissen Importanz – ob diese eine auf- oder abwertende Bedeutung hat, ist nebensächlich. Schlussendlich ist doch Kunst dazu da, die Menschen etwas fühlen zu lassen, seien es negative oder positive Gefühle. Das Zahnbürsteli hat als Ersatz für den stadtbekannten Holidi und als neuer Begegnungsort bestimmt beides ausgelöst.

Fritschi wollte mit diesem Werk dem Problem mangelnder Sitzbänke vor Ort direkt entgegenwirken, indem er einen öffentlichen Platz schafft, an dem Menschen sich treffen können, ohne zum Konsum verpflichtet zu sein. Beim Motiv der Skulptur handelt es sich laut dem Künstler um Tisch und Bank. Seine künstlerische Umsetzung symbolisiert das Zusammensein am Tisch sowie das Essen an sich. Letzteres dient als eine Hommage an die Arbeiterstadt Winterthur und die Arbeiterfamilie, aus welcher Fritschi stammt. Doch genug zur Geschichte des Werks: Das Erlebnis von Kunst ist subjektiv, jede*r verbindet etwas Eigenes damit. Die Skulptur in der Grabenallee mag möglicherweise auf den ersten Blick einfach als Bank dienen, doch tiefer betrachtet bietet sie eine Möglichkeit für zwanzig Jahre Gemeinsamkeit. Mindestens.

Chelsea Angel Neuweiler studiert Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Zürich.

Jonas Reolon ist Fotograf und Kameramann aus Winterthur.

Aluminium im Wind
Aluminium im Wind
Artothek

Ein kräftiger Wind weht, es mag ein luftiger, sonniger Frühlingstag sein oder ein stürmischer, bewölkter Herbsttag. Eine Person hat entschieden, dass es der geeignete Tag ist, um einen Drachen…

Versteckte Kunst
Versteckte Kunst
Artothek

Zurück aus meinem Austauschsemester in Rom, waren die ersten Schweizer Stadtstrassen, die ich wieder entlanglief, jene von Winterthur – auf der Suche nach der Lichtinstallation «How are we today» von…

Verbindung zwischen Himmel und Erde
Verbindung zwischen Himmel und Erde
Artothek

Wer schon einmal durch den Friedhof Rosenberg geschlendert ist, hat sich mit grosser Wahrscheinlichkeit irgendwann auf einem Areal wiedergefunden, das den Namen Urnenhain II trägt.

Lebendiges Zimmer
Lebendiges Zimmer
Artothek

Das Zimmer von Monsieur Rouge befindet im Erweiterungsbau der Maurerschule. Für Unwissende ist es eine Herausforderung, das Kunstwerk zu finden.

Stahlplatten des Trostes
Stahlplatten des Trostes
Artothek

Der Vorplatz des Krematoriums auf dem Friedhof Rosenberg präsentiert sich mit imposanten Betonbalken und Stahlplatten. Davon sind jeweils vier Stück oben und unten an der Krematoriumswand angebracht.