Vom Mädchen zum Objekt

Vom Mädchen zum Objekt

Im Stadtgarten steht eine sich entblössende Skulptur. Ihre Augen sind geschlossen, ihr Gesicht ist ausdruckslos und die Arme geben unnatürlich und angespannt den Oberkörper frei.

Der Fokus der Betrachter*innen wird auf die Geschlechtsmerkmale gelenkt. Dieser zwei Meter hohe Bronzeakt trägt den Titel «Mädchen» und stammt vom bedeutendsten Schweizer Plastiker des 20. Jahrhunderts – Hermann Haller. Nahezu alle seine Werke erzählen von seiner passionierten Auseinandersetzung mit der Frauengestalt, wobei er für diese meistens auf Modelle verzichtete. Dem Bildhauer dienten die Begegnungen mit Menschen als Anregung, seine sinnliche Wahrnehmung jener zu modellieren: Seine Bildnisse sind somit Deutungen von Personen, wie er sie sah und erlebte.

Mit der Hervorhebung dieser sexualisierten Wahrnehmung und Darstellung eines Mädchens möchte ich keine direkte Kritik am Künstler üben, sondern die Aufmerksamkeit auf die normalisierte Sexualisierung der Frauen lenken, die sich hier zeigt. Der weibliche Akt gehört zu den verbreitetsten Kunstmotiven. Als Spiegel der Gesellschaft kann die Kunst traditionelle Geschlechterrollen und ihre Auswirkungen aufzeigen: der Künstler als das aktive Subjekt und die Frau als das passive Objekt.

Zusätzlich waren Frauen in Europa bis Ende des 19. Jahrhunderts von Systemen der Förderung, Ausbildung und Anerkennung in der Kunst ausgeschlossen. Sie wurden auf Weiblichkeit und Fruchtbarkeit reduziert und erhielten die Rolle der Ehefrau und Mutter. So war es beispielsweise im 18. Jahrhundert nach dem Prinzip «Modell jederzeit, Künstlerin nie» unmoralisch, wenn sich eine Künstlerin im selben Raum wie ein weibliches Aktmodell aufhielt – was bei Künstlern natürlich nicht der Fall war. Die Folgen jener gezielten institutionellen Ausschliessung und Reduzierung der Frauen sind noch heute spürbar: die Unterrepräsentation an Künstlerinnen in Sammlungen, der verbreitete weibliche Akt und die damit verbundene normalisierte Sexualisierung.

Zahlreiche Kunstwerke der letzten Jahrhunderte zeugen von der Sexualisierung der Frau. Ein möglicher Umgang damit ist deren Wahrnehmung und die dazugehörende Verhinderung der weiteren Normierung. Also Augen auf – denn die Problematik des Frauenakts versteckt sich auch in Winterthurer Kunstsammlungen.

Chelsea Angel Neuweiler studiert Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Zürich.

Jonas Reolon ist Fotograf und Kameramann aus Winterthur.

Verbindung zwischen Himmel und Erde
Verbindung zwischen Himmel und Erde
Artothek

Wer schon einmal durch den Friedhof Rosenberg geschlendert ist, hat sich mit grosser Wahrscheinlichkeit irgendwann auf einem Areal wiedergefunden, das den Namen Urnenhain II trägt.

Lebendiges Zimmer
Lebendiges Zimmer
Artothek

Das Zimmer von Monsieur Rouge befindet im Erweiterungsbau der Maurerschule. Für Unwissende ist es eine Herausforderung, das Kunstwerk zu finden.

Stahlplatten des Trostes
Stahlplatten des Trostes
Artothek

Der Vorplatz des Krematoriums auf dem Friedhof Rosenberg präsentiert sich mit imposanten Betonbalken und Stahlplatten. Davon sind jeweils vier Stück oben und unten an der Krematoriumswand angebracht.

Eine Bronzeskulptur passend zur Schule
Eine Bronzeskulptur passend zur Schule
Artothek

Die Bronzeskulptur des Künstlers Emilio Stanzani befindet sich beim Treppenaufgang zum Schulhauseingang Rychenberg. Erst wenn man die Stufen emporsteigt, wird das Werk allmählich auf der linken Seite…

Eine tierische Bank
Eine tierische Bank
Artothek

In diesem Artikel geht es um die wohl bekannteste Sitzgelegenheit in Winterthur. Ich präsentiere: Die Wauwau-Bank von Erwin Schatzmann. Sie lädt nicht nur zum Sitzen ein, sondern auch zum Staunen.