Valentina Triet: Of manners, of trips
Ende der 1950er-Jahre sorgte die britische Modedesignerin Mary Quant bei einer Couture-Show in St. Moritz für Aufsehen: Inmitten von opulenten Ballkleidern und sanfter Musik, die der damaligen Laufsteg-Etikette entsprachen, präsentierte sie eine Kollektion mit kurzen Säumen und Lederstiefeln, begleitet von einem rhythmisch-nervösen Jazzsound. „Ich möchte Girls, die ihre eigene Realness übertreiben“, erklärte Quant, „und nicht die hochmütige Unwirklichkeit der Couture-Models.“
Quant gilt als eine der zentralen Figuren der europäischen Modewelt der 1950er- und 1960er-Jahre und trug massgeblich zum ästhetischen Wandel der damaligen Mainstream-Modenschauen bei. Die Beschreibung – und Vermarktung – ihrer Models und Kleider mit dem Begriff Realness zeugt von ihren Bezügen zum Streetstyle, zur Schwarzen Kultur und den sexuellen Befreiungsbewegungen jener Zeit.
Of manners, of trips zeigt solche Momente der Störung und Verfremdung, in denen das Spektakel mit dem Unbekannten spielt und um seine Wirkung weiss. Valentina Triet präsentiert fast dreissig Videos, die gefundene Aufnahmen von Fashionshows der 1980er Jahre bis heute – von Labels wie Dior, Thierry Mugler oder Off-White – in verpixelte Bilder verwandeln. Abstrakte Farbfelder lassen Stil und Inszenierung der Kollektionen nur erahnen, Bewegung und Tempo der Bildraster suggerieren den schnellen Walk der Models auf dem Runway, eine Kamerafahrt. Lichtblitze signalisieren die ständigen Schnappschüsse der Presse. Während sich die visuellen Elemente der Show auflösen und buchstäblich aus dem Fokus geraten, bleibt der Soundtrack unverändert laut und dröhnend scharf. Ist üblicherweise das Model der Träger, oder vielmehr die Trägerin, des Begehrens nach dem Objekt – sie präsentiert die Kleidung und verkörpert den generellen Look der Kollektion – stellt Triet den Sound als tragendes Medium des Modeereignisses und seiner Anziehungskraft heraus. Ob maschinenartige Klänge, klassische Musik oder Popsongs: Industrieedge, Hochkultur, Rebellion der Subkultur und Spassdes Mainstreams sind Genres, die den Wert eines bestimmten Produkts oder Prestiges beschwören.
Die Serie wird zum ersten Mal in ihrer Gesamtheit präsentiert. Insgesamt umfassen die Videos etwa dreieinhalb Stunden Material. In den 1960er Jahren sprengten Fashionshows und die Marketingindustrie allgemein die Grenzen dessen, was und wie etwas zum Trend wird. Der sinnliche Schock, den Quants Modenschau bei ihren Zuschauer:innen ausgelöst haben muss – und der seither am laufenden Band produziert und mit stets neuen Mitteln und Methoden provoziert wird, um gezielt die Wünsche der Zuschauer:innen, Kritiker:innen und Konsument:innen zu beeinflussen – wird hier auf seine rohen formalen Bestandteile reduziert: Licht, Farbe, Rhythmus, Lautstärke. Ohne ein konkretes Produkt, an dem sich die Wahrnehmung festhalten kann, bleibt der Körper seinen geschärften Sinnen ausgeliefert.
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Valentina Triet (*1991 in Winterthur, lebt und arbeitet in Wien und Zürich) hatte Einzelausstellungen bei Marble, Brüssel; OxfordBerlin, Berlin; Neuer Essener Kunstverein, Essen, und Felix Gaudlitz, Wien. Zudem war sie an zahlreichen Gruppenausstellungen beteiligt, unter anderem bei Galerie Neu, Berlin; Streetwater, Berlin; Alienze, Wien; The Wig, Berlin, und im mumok, Wien.
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Die Künstlerin bedankt sich bei: Artjom Astrov, Meret Bhend, Samuel Bich, Karolin Braegger, Leonia Brenner, Jakob Buchner, Philipp Farra, Felix Gaudlitz, Richard Hilbert, Chantal Kaufmann, Demian Kern, Jonida Laçi, Simon Lässig, Andreas Lumineau, Vera Lutz, Sveta Mordovskaya, Lucie Pia, Ben Rosenthal, Marina Sula, Max Wuchner, Min Yoon, Julia Znoj.
Die Kunsthalle Winterthur bedankt sich bei: Pro Helvetia, Stiftung S. Eustachius, Stiftung Erna und Curt Burgauer, Videocompany.ch, FELIX GAUDLITZ, Wien, Fotomuseum Winterthur, Kunstmuseum Winterthur, Larrea Produktion, Perplex Plus AG, Anders Guggisberg, Sophia Roxanne Rohwetter and Catherine Schelbert.
Die Ausstellung wird freundlich unterstützt von Pro Helvetia, Stiftung S. Eustachius, Stiftung Erna und Curt Burgauer, Videocompany.ch und FELIX GAUDLITZ, Wien.
Quelle: Elspeth H. Brown: Work: A Queer History of Modeling
Ausstellung
HEUTE
Sa 14. Dez bis
So 23. Feb
Mi bis Fr:
12:00 - 18:00 Uhr
Sa/So:
12:00 - 16:00 Uhr
Adresse
Kunsthalle
Marktgasse 25
8400 Winterthur